Sooo, jetzt berichte ich noch einmal sehr ausführlich über die Spieleaktionen mit Flüchtlingen.
Seit jetzt fast 2 Jahren führe ich die Aktionen einmal monatlich durch. Sie sind in der Zeit auch nur wenige Male ausgefallen (wenn ich mich jetzt richtig erinnere wegen: Konkurrenzveranstaltung der Stadt Remscheid speziell für die Flüchtlings-Kinder; zu wenige Helfer bzw. Terminprobleme).
Es war mal angedacht die Aktion als Spieleabend anzubieten. Aber wir sind dann schnell zu Spielenachmittagen gewechselt. Jetzt finden immer am letzten Sonntag im Monat die Spieleaktionen in zwei Unterkünften statt. Jeweils für zwei Stunden mit einer Pause von einer Stunde dazwischen. Die Pause benötigen wir, um die Spiele wieder einzuräumen und zur anderen Unterkunft in einem anderen Stadtteil zu fahren. Dort wird dann wieder für zwei Stunden gespielt - wobei die meisten Helfer*innen nur in einer Unterkunft helfen. Organisatorisch ist es mit den zwei Terminen an einem Tag für mich wesentlich einfacher, weil ich so nur einmal Spiele aussuchen und hin- und herfahren muss.
Unser Publikum ist leider nicht - wie erhofft - so zwischen ca. 6 und Teenageralter (wobei auch Erwachsene kommen dürfen), sondern zwischen 1 und 12 Jahren.
Erwachsene kommen in der Regel nur noch 'in Form' von Müttern mit Ihren kleinen Kindern. Wobei die Mütter dann gerne mitspielen und auch eifrig dabei sind. Dazu später mehr.
Diese sehr jungen Kinder hatten uns etwas vor Probleme gestellt, weil ich/wir kaum Spiele für diese sehr jungen Kinder hatten. Einige sind nachträglich angeschafft worden, so dass wir zumindest mit Kindern ab ca. drei bzw. vier Jahren jetzt auch gut spielen können. Die ganz Kleinen werden eh von ihren Müttern "bespasst" und sind nur dabei, weil sie nicht alleine gelassen werden können.
Manchmal geben die Eltern ihre Kinder bei uns ab und verschwinden dann leider sofort wieder. Auch schaffen wir es derzeit nur selten Teenager oder junge Erwachsene zu erreichen. Vereinzelt kommen Sie ein- oder zweimal, danach im Moment leider nicht mehr. Manchmal kann es aber auch damit zusammenhängen, dass sie in andere Unterkünfte verlegt werden, in Wohnungen ziehen oder ganz weggehen (andere Städte oder Rückführung/Abschiebung).
Obwohl Aushänge auf die Termine hinweisen kommen nur wenige selbstständig. Das ist bei anderen Veranstaltungen auch häufig so. Wir gehen dann durch die Unterkünfte und klopfen an den Wohnungstüren, um die Familien zu fragen und die Kinder dann in den Spieleraum mitzunehmen.
In einer Unterkunft mit einer Art Innenhof (gleichzeitig Parkplatz) sind im Sommer viele Kinder draußen am spielen. Dann werden wir mittlerweile erkannt und freudig begrüßt. Unter den Kindern wird dann darum gerangelt, wer die Spielekisten ins Haus tragen darf. Mittlerweile haben wir aber auch einige Spiele angeschafft, damit wir bei schönem Wetter draußen spielen können (Federball, Fußbälle, Seilchen, etc.).
Bei den Kindern sind zum Beispiel Speed Cups, Jenga, Lotti Karotti, Vier gewinnt, Spitz pass auf, Stühle stapeln und natürlich Halli Galli sehr beliebt. Die Spiele muss ich eigentlich jedes Mal dabei haben. Immer mal wieder auch Mensch ärger Dich nicht, Uno oder das Angelspiel.
Seit einigen Monaten versuche ich (bzw. wir Helfer*inne) gezielt mit etwas älteren Kindern auch Carcassonne (ohne Wiesenwertung) zu spielen. Das klappt immer besser, nachdem es im ersten Jahr keinen Anklang gefunden hat. Durch eine HiG-Spende (ganz herzlichen Dank dafür!!!) habe ich jetzt auch u.a. Carcassonne Junior im Sortiment und konnte das Spiel auch schon gut mit jüngeren Kindern einsetzen. Nächster Schritt wäre dann am kommenden Sonntag Stone Age Junior zu probieren und/oder das Kartenspiel dazu.
Wir haben auch einige Sprachspiele angeschafft. Unter anderem ein Sprach-Memo-Spiel (
Vokabel-Memo ). Hierbei ist auf einer Memokarte ein Bild eines Alltagsgegenstandes oder Alltagsthemas abgebildet und auf der dazugehörigen anderen Memokarte das passende deutsche Wort. Das Spiel spielen insbesondere die Mütter der kleinen Kinder sehr gerne. Mit Kindern habe ich das schon mehrmals in etwas abgewandelter Form gespielt, in dem ich nacheinander die Bildkarten aufgedeckt habe, das Kind den deutschen Begriff nennen sollte und ich dann die Wortkarte dazu gezeigt habe. Manchmal habe ich mir dann auch das Wort in der Muttersprache des Kindes sagen lassen und versucht es nachzusprechen, was sehr häufig dann für große Heiterkeit gesorgt hat
Es ist nach wie vor leider immer wieder so, dass einige Kinder keine Geduld, Ausdauer und/oder längere Konzentrationsfähigkeit für eine Sache haben. Ich beobachte aber auch, dass bei manchen Kindern es immer besser wird.
So gerade bei drei Brüdern. Die sind sehr wibbelig und auch als Störenfriede bekannt. Mit denen habe ich es jetzt schon mehrfach geschafft, sie wirklich für über eine Stunde an Mensch ärger dich nicht, Lotti Karotti und letztens an Carcassonne zu fesseln. Ich war selber sehr erstaunt, zumal sich Mensch ärger dich nicht elend lange hingezogen hatte und für mich eigentlich ziemlich langweilig war. Da wäre ich fast derjenige gewesen, der das Spiel abgebrochen hätte

Daher habe ich die Hoffnung - und das scheint ja durch den mehrfachen Einsatz von Carcassonne bestätigt zu werden -, dass man immer komplexere Spiele angehen kann, was vorher nicht möglich war.
Das lässt auch hoffen, dass ich die etwas komplexeren Spiele von Arnold spielen kann, die er mir als Spende geschickt hat. An der Stelle nochmals vielen Dank dafür!
Bei einigen Mädchen stehen aber auch zwei sehr einfache Dinge hoch im Kurs:
In einer Unterkunft hängt eine Schultafel an der Wand. Da die Kinder immer wieder gefragt haben, habe ich letztens auch Kreide besorgt, was begeistert angenommen wird. Die eigentlich dort vorhandene Kreide ist mittlerweile eingeschlossen und da komme ich nicht dran. Einige der Kinder sind begeisterte Tafelschreiber bzw. -maler. Auch mit so einfachen Dingen kann man sie zufriedenstellen. Natürlich gehören auch Malblocks und Buntstifte dazu, aber die Tafel hat es ihnen am meisten angetan. Ganz genau erklären kann ich es aber nicht.
Am letzten Spielenachmittag eine Woche vor Weihnachten haben wir die Stunden etwas feierlicher gestaltet. Wir haben schöne Teelichter aufgestellt. Von einigen Helferinnen wurden selbstgebackene Plätzchen mitgebracht und eine Helferin hat eine kleine Geschichte vorgelesen. Natürlich wurde auch wieder gespielt.
Am kommenden Sonntag wird der nächste Spielenachmittag stattfinden. Letztes Jahr konnte eine engagierte neue Helferin und ein Ex-Kollege von mir jeweils für eine Unterkunft gewonnen werden. Am Sonntag kann ich auch wieder einen neuen Helfer begrüßen. Das ist dringend notwendig nachdem im letzten Jahr einige ausgestiegen sind (z.B. wegen Studium oder Wegzug in eine andere Stadt).
Fazit:
Auch wenn ich hier einige Schwierigkeiten angesprochen habe:
Es macht unheimlich viel Spaß - obwohl die jeweils zwei Stunden auch teilweise anstrengend sind. Je nachdem wie die Kinder drauf sind.
Und viel wichtiger: auch den Kindern scheint es viel Spaß zu machen. Sie fragen am Schluß jedes Mal, wann wir wiederkommen. Und wenn sie dann verstehen, dass es vier Wochen dauern wird, sind sie zunächst etwas enttäuscht und versuchen uns manches mal zu überreden am nächsten Tag wiederzukommen

Mittlerweile werden wir als Spieleonkel oder -tanten erkannt und werden mit strahlende Gesichtern begrüßt. Das ist schon Dank und Ansporn genug!
Faszinierend für mich ist, wie schnell sich manche Kinder entwickeln. Nicht nur, aber insbesondere was die Sprache angeht. Im Gegensatz zu Ihren Eltern haben sie den Vorteil, dass sie die Sprache im Kindergarten oder in der Schule auch spielerisch lernen und dort ständig anwenden müssen. Die Eltern müssen dafür Sprachkurse besuchen und haben die intensive tägliche Sprachanwendung häufig nicht.
Wenn während der Spielenachmittage die Verständigung mit einem neuen Kind nicht so gut klappt, dann wissen die Kinder aber ganz genau, wer von ihnen die Sprache spricht und schon fungieren diese dann als Übersetzer. So eine Art Selbstorganisation der Kinder untereinander.
Bisher haben wir nur positive Erfahrungen gemacht. Und ich hoffe, dass wir die Spielenachmittage weiterhin regelmässig durchführen können. Geplant ist es auf jeden Fall. Termine für die nächsten drei Monate sind vereinbart. Voraussetzung ist aber auch, dass immer genügend Helfer*innen da sind und natürlich die Kinder gerne und zahlreich kommen. Zumindest bei Letzterem brauchen wir uns keine Gedanken zu machen - auch wenn wir sie einsammeln müssen. Und die Helfersituatuion hat sich zum Glück aktuell auch wieder etwas entspannt. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Aktion noch lange durchführen können.