Über Stock und Stein - Review
Verfasst: So 24. Jan 2016, 21:10
Liebe Leute!
Ich habe mir vor kurzem „Carcassonne – Über Stock und Stein“ besorgt und mir nun nach mittlerweile rund 30 Partien gedacht, ich schreibe eine kurze Review über diesen wirklich großartigen Ableger meines (unseres) Lieblingsspiels. Dabei möchte ich mich darauf beschränken, einen kurzen Überblick über die neuen Mechanismen dieses Spiels und eine Zusammenfassung meiner eigenen Eindrücke zu geben (die genauen Regeln können hier nachgelesen werden; eine ausführliche Zusammenfassung findet sich hier).
Neuerungen dieser Carcassonne-Variante:
In „Carcassonne – Über Stock und Stein“ gibt es Wege und Äcker (als Äquivalente zu den Straßen und Städten), die wie gewohnt 2 Punkte (Acker) bzw 1 Punkt (Weg) pro Kärtchen für ihre Fertigstellung bringen. Klöster und „Bauern“ (im Sinne des gewohnten Basisspiels) gibt es keine; allerdings können die auf den Wiesen weidenden Tiere mithilfe von je 2 Ställen pro Spieler bei der Endwertung in Punkte verwandelt werden.
Die interessanteste Änderung betrifft die Wege: Wenn ein Spieler bereits einen Wanderer eingesetzt hat und diesen Weg in einem späteren Zug verlängert (aber nicht abschließt), so darf er mit seinem Meeple wandern. Er kann seinen Meeple dabei zu einem beliebigen Punkt des Weges (aber nicht über Kreuzungen hinweg und auch nicht auf ein besetztes Plättchen) bewegen und erhält für jedes durchwanderte Plättchen einen Punkt. Je länger der Weg wird, desto mehr Punkte bringt dementsprechend das Wandern; sobald der Weg abgeschlossen wird, wird aber (wie gewohnt) auch der Wanderer wieder entfernt.
Auch die Äcker weisen einen neuen (wenngleich vertrauerteren) Mechanismus auf: Anstelle der Wappen enthalten die Äcker sechs verschiedene Erntesymbole; der „Besitzer“ des Ackers darf sich bei der Wertung entsprechende Erntechips aus dem Vorrat nehmen, die am Spielende zusätzliche Punkte bringen (und zwar einen pro Chip, jedes Set aus Apfel, Erdbeere, Kürbis, Sonnenblume und Getreide bringt außerdem 5 Zusatzpunkte; die Vogelscheuche kann als Joker verwendet werden).
Daneben haben die Spieler die Möglichkeit, (zwei) Ställe auf den Wiesen zu platzieren, die dort bis zum Spielende eingesetzt bleiben. Für jedes auf der Wiese grasende Tier im Einzugsgebiet des Stalls (= das Plättchen mit dem Stall selbst sowie die umliegenden 8 Plättchen) erhält der Spieler am Ende einen Punkt; im Einzugsgebiet des Stalls darf außerdem kein weiterer Stall platziert werden.
Eigene Eindrücke der Änderungen:
Diese ersten Eindrücke stammen aus den rund 30 Partien, die ich während des letzten Monats gespielt habe (ich habe das Spiel seit Ende Dezember), wobei ich in etwa 20 Partien zu zweit, den Rest zu Dritt oder zu viert gespielt habe. (Sollten sich meine Eindrücke im Weiteren ändern, werde ich meinen Bericht insoweit ergänzen bzw abändern.)
Das Spielgefühl ist bereits in den ersten Partien vertraut, zumal die wesentlichen Mechanismen mit jenen des bekannten Grundspiels ident sind. Aber auch Neueinsteiger (für meinen Freund war „Über Stock und Stein“ die erste Carcassonne-Erfahrung) brauchen sich nicht zu fürchten; bereits nach der ersten Partie sind die Grundzüge klar und es kann ungehindert drauf los gespielt werden. Die Grafik ist ansprechend und verleiht das bekannte Flair.
Überraschend angenehm ist der Spielfluss dieses Carcassonne-Ablegers. Nachdem die Wege (im Vergleich zum Original) über die Möglichkeit zu wandern aufgewertet wurden (dazu gleich), entstehen kaum mehr frustrierende Phasen („ich habe die fünfte Kurve in Folge“), in denen ein Spieler das Gefühl hat, wenig Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen zu können. Anstelle der „Klöster auf Kärtchen“ (die im Original oft als stark empfunden werden) können die Spieler über die Ställe selbst entscheiden, wann und wo sie ihr „Kloster“ einsetzen (der Mechanismus bleibt dabei relativ ähnlich). Das Spiel vermeidet es insoweit, über besonders starke bzw besonders schwache Kärtchen Frustrationsmomente aufkommen zu lassen; stattdessen hat man immer das Gefühl, mit der richtigen Taktik etwas bewegen zu können. Auch die Drosselung „riesiger Äcker“ (in über Stock und Stein gibt es nur 4 Plättchen mit drei Ackergrenzen, während es etwa im Original I sieben Plättchen mit drei Stadtgrenzen gibt) reduziert meines Erachtens das Glücksmoment des Spiels (weil es – anders als im Original – kaum mehr „Alles-oder-Nichts“-Momente gibt, wo sich bereits zur Spielmitte abzeichnet, dass das Zustandekommen einer riesigen Stadtwertung zu Sieg oder Niederlage führt).
Spannend ist insbesondere der Wandermechanismus: Die wirklich interessante Neuerung besteht dabei darin, dass der Weg mit zunehmender Länge (ähnlich einem Schneeballsystem) ziemlich stark wird. Während das Wandern am Anfang nur einige wenige Punkte pro Runde (in der der Weg verlängert wurde) einspielt, bringt das 10. Plättchen eines Weges dem Wanderer bereits bis zu neun Punkte (ohne eine klassische Wertung auszulösen). Das bedeutet, dass die Mitspieler ab einer gewissen Weglänge ein Interesse daran haben, den Weg zu schließen oder ebenfalls einen Meeple in den Weg zu bekommen. Dafür den richtigen Zeitpunkt „abzupassen“ (man will ja seinem Mitspieler auch keine unnötigen Punkte und Züge schenken), stellt eine der großen Herausforderungen dieses Spiels dar; wer zu lange wartet, wird unter Umständen bitter bestraft. Dadurch gewinnt das Spiel stark an Dynamik und Interaktion und ist vom ersten bis zum letzten Plättchen kurzweilig.
Auch die Erntechips weisen aufgrund des Bonussystems (5 Punkte für ein komplettes Set) mehr Tiefgang auf als etwa die Stadtwappen des Originals, zumal es bei einer geteilten Wertung zu einem „Reihum-Auswahl-System“ kommt. Richtige Profis haben noch den zusätzlichen Anreiz, sich die bisher verteilten Chips zu merken (und anhand dessen gegebenenfalls die ein oder andere Spielentscheidung unterschiedlich zu treffen), weil jeder Spieler seine bisher erworbenen Chips verdecken darf. (Kleiner Wermutstropfen: Zu zweit ist das Verdecken eigentlich sinnlos, weil die restlichen Chips im Lager ohnehin offen aufliegen und man sich aufgrund der selbst erworbenen Chips ausrechnen kann, welche Chips der Mitspieler hat).
Fazit:
„Carcassonne – Über Stock und Stein“ ist dem Original meines Erachtens eigentlich in allen wesentlichen Punkten (Spielfluss, Kurzweiligkeit, Tiefgang) überlegen. (Das liegt wohl insbesondere daran, dass gewisse – in neueren Auflagen ohnehin abgeschwächte – Erstlingsfehler bei diesem nunmehr 11. Ableger des Spiels leicht vermieden werden konnten.) Fans der Serie sollten das Spiel keinesfalls missen, und auch wer Carcassonne bloß einmal ausprobieren (und neben anderen Brettspielen gelegentlich spielen) möchte, bekommt hier einen großartigen Einstieg in das Spielkonzept mit erheblichem Suchtpotential. Wer langfristige Abwechslung bei bloß einem Spiel sucht, kommt aufgrund der zahllosen Erweiterungen mittelfristig um das Original allerdings trotzdem nicht herum. Gerade weil die hier geschaffenen Mechanismen aber insgesamt ausgefeilter sind, bleibt zu hoffen, dass auch „Carcassonne – Über Stock und Stein“ zumindest mit der ein oder anderen Mini-Erweiterung (oder sogar einer echten Erweiterung) beschert wird.
Viel Spaß beim Spielen!
Frey
Ich habe mir vor kurzem „Carcassonne – Über Stock und Stein“ besorgt und mir nun nach mittlerweile rund 30 Partien gedacht, ich schreibe eine kurze Review über diesen wirklich großartigen Ableger meines (unseres) Lieblingsspiels. Dabei möchte ich mich darauf beschränken, einen kurzen Überblick über die neuen Mechanismen dieses Spiels und eine Zusammenfassung meiner eigenen Eindrücke zu geben (die genauen Regeln können hier nachgelesen werden; eine ausführliche Zusammenfassung findet sich hier).
Neuerungen dieser Carcassonne-Variante:
In „Carcassonne – Über Stock und Stein“ gibt es Wege und Äcker (als Äquivalente zu den Straßen und Städten), die wie gewohnt 2 Punkte (Acker) bzw 1 Punkt (Weg) pro Kärtchen für ihre Fertigstellung bringen. Klöster und „Bauern“ (im Sinne des gewohnten Basisspiels) gibt es keine; allerdings können die auf den Wiesen weidenden Tiere mithilfe von je 2 Ställen pro Spieler bei der Endwertung in Punkte verwandelt werden.
Die interessanteste Änderung betrifft die Wege: Wenn ein Spieler bereits einen Wanderer eingesetzt hat und diesen Weg in einem späteren Zug verlängert (aber nicht abschließt), so darf er mit seinem Meeple wandern. Er kann seinen Meeple dabei zu einem beliebigen Punkt des Weges (aber nicht über Kreuzungen hinweg und auch nicht auf ein besetztes Plättchen) bewegen und erhält für jedes durchwanderte Plättchen einen Punkt. Je länger der Weg wird, desto mehr Punkte bringt dementsprechend das Wandern; sobald der Weg abgeschlossen wird, wird aber (wie gewohnt) auch der Wanderer wieder entfernt.
Auch die Äcker weisen einen neuen (wenngleich vertrauerteren) Mechanismus auf: Anstelle der Wappen enthalten die Äcker sechs verschiedene Erntesymbole; der „Besitzer“ des Ackers darf sich bei der Wertung entsprechende Erntechips aus dem Vorrat nehmen, die am Spielende zusätzliche Punkte bringen (und zwar einen pro Chip, jedes Set aus Apfel, Erdbeere, Kürbis, Sonnenblume und Getreide bringt außerdem 5 Zusatzpunkte; die Vogelscheuche kann als Joker verwendet werden).
Daneben haben die Spieler die Möglichkeit, (zwei) Ställe auf den Wiesen zu platzieren, die dort bis zum Spielende eingesetzt bleiben. Für jedes auf der Wiese grasende Tier im Einzugsgebiet des Stalls (= das Plättchen mit dem Stall selbst sowie die umliegenden 8 Plättchen) erhält der Spieler am Ende einen Punkt; im Einzugsgebiet des Stalls darf außerdem kein weiterer Stall platziert werden.
Eigene Eindrücke der Änderungen:
Diese ersten Eindrücke stammen aus den rund 30 Partien, die ich während des letzten Monats gespielt habe (ich habe das Spiel seit Ende Dezember), wobei ich in etwa 20 Partien zu zweit, den Rest zu Dritt oder zu viert gespielt habe. (Sollten sich meine Eindrücke im Weiteren ändern, werde ich meinen Bericht insoweit ergänzen bzw abändern.)
Das Spielgefühl ist bereits in den ersten Partien vertraut, zumal die wesentlichen Mechanismen mit jenen des bekannten Grundspiels ident sind. Aber auch Neueinsteiger (für meinen Freund war „Über Stock und Stein“ die erste Carcassonne-Erfahrung) brauchen sich nicht zu fürchten; bereits nach der ersten Partie sind die Grundzüge klar und es kann ungehindert drauf los gespielt werden. Die Grafik ist ansprechend und verleiht das bekannte Flair.
Überraschend angenehm ist der Spielfluss dieses Carcassonne-Ablegers. Nachdem die Wege (im Vergleich zum Original) über die Möglichkeit zu wandern aufgewertet wurden (dazu gleich), entstehen kaum mehr frustrierende Phasen („ich habe die fünfte Kurve in Folge“), in denen ein Spieler das Gefühl hat, wenig Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen zu können. Anstelle der „Klöster auf Kärtchen“ (die im Original oft als stark empfunden werden) können die Spieler über die Ställe selbst entscheiden, wann und wo sie ihr „Kloster“ einsetzen (der Mechanismus bleibt dabei relativ ähnlich). Das Spiel vermeidet es insoweit, über besonders starke bzw besonders schwache Kärtchen Frustrationsmomente aufkommen zu lassen; stattdessen hat man immer das Gefühl, mit der richtigen Taktik etwas bewegen zu können. Auch die Drosselung „riesiger Äcker“ (in über Stock und Stein gibt es nur 4 Plättchen mit drei Ackergrenzen, während es etwa im Original I sieben Plättchen mit drei Stadtgrenzen gibt) reduziert meines Erachtens das Glücksmoment des Spiels (weil es – anders als im Original – kaum mehr „Alles-oder-Nichts“-Momente gibt, wo sich bereits zur Spielmitte abzeichnet, dass das Zustandekommen einer riesigen Stadtwertung zu Sieg oder Niederlage führt).
Spannend ist insbesondere der Wandermechanismus: Die wirklich interessante Neuerung besteht dabei darin, dass der Weg mit zunehmender Länge (ähnlich einem Schneeballsystem) ziemlich stark wird. Während das Wandern am Anfang nur einige wenige Punkte pro Runde (in der der Weg verlängert wurde) einspielt, bringt das 10. Plättchen eines Weges dem Wanderer bereits bis zu neun Punkte (ohne eine klassische Wertung auszulösen). Das bedeutet, dass die Mitspieler ab einer gewissen Weglänge ein Interesse daran haben, den Weg zu schließen oder ebenfalls einen Meeple in den Weg zu bekommen. Dafür den richtigen Zeitpunkt „abzupassen“ (man will ja seinem Mitspieler auch keine unnötigen Punkte und Züge schenken), stellt eine der großen Herausforderungen dieses Spiels dar; wer zu lange wartet, wird unter Umständen bitter bestraft. Dadurch gewinnt das Spiel stark an Dynamik und Interaktion und ist vom ersten bis zum letzten Plättchen kurzweilig.
Auch die Erntechips weisen aufgrund des Bonussystems (5 Punkte für ein komplettes Set) mehr Tiefgang auf als etwa die Stadtwappen des Originals, zumal es bei einer geteilten Wertung zu einem „Reihum-Auswahl-System“ kommt. Richtige Profis haben noch den zusätzlichen Anreiz, sich die bisher verteilten Chips zu merken (und anhand dessen gegebenenfalls die ein oder andere Spielentscheidung unterschiedlich zu treffen), weil jeder Spieler seine bisher erworbenen Chips verdecken darf. (Kleiner Wermutstropfen: Zu zweit ist das Verdecken eigentlich sinnlos, weil die restlichen Chips im Lager ohnehin offen aufliegen und man sich aufgrund der selbst erworbenen Chips ausrechnen kann, welche Chips der Mitspieler hat).
Fazit:
„Carcassonne – Über Stock und Stein“ ist dem Original meines Erachtens eigentlich in allen wesentlichen Punkten (Spielfluss, Kurzweiligkeit, Tiefgang) überlegen. (Das liegt wohl insbesondere daran, dass gewisse – in neueren Auflagen ohnehin abgeschwächte – Erstlingsfehler bei diesem nunmehr 11. Ableger des Spiels leicht vermieden werden konnten.) Fans der Serie sollten das Spiel keinesfalls missen, und auch wer Carcassonne bloß einmal ausprobieren (und neben anderen Brettspielen gelegentlich spielen) möchte, bekommt hier einen großartigen Einstieg in das Spielkonzept mit erheblichem Suchtpotential. Wer langfristige Abwechslung bei bloß einem Spiel sucht, kommt aufgrund der zahllosen Erweiterungen mittelfristig um das Original allerdings trotzdem nicht herum. Gerade weil die hier geschaffenen Mechanismen aber insgesamt ausgefeilter sind, bleibt zu hoffen, dass auch „Carcassonne – Über Stock und Stein“ zumindest mit der ein oder anderen Mini-Erweiterung (oder sogar einer echten Erweiterung) beschert wird.
Viel Spaß beim Spielen!
Frey